Ein Kleid für alle Menschen

«Mach mal Platz!», ruft Philippus. «Ich will auch mal! Ich bin ein Junge, ich kann sowieso besser hören als du!» Quinta verdreht die Augen.

Aber sie rutscht ein Stücklein zur Seite, damit ihr Bruder auch Platz hat. Jetzt drücken beide ein Ohr an die Tür und lauschen. Dort drin sind nämlich die Grossen und lesen den Brief, den Paulus geschickt hat. Also, Tante Sophia liest vor, und die anderen hören zu. «Das ist nichts für Kinder!», haben die Erwachsenen gesagt. Aber das stimmt nicht. Quinta und Philippus wollen auch wissen, was Paulus schreibt! Zum Glück liest Tante Sophia laut und deutlich: «Ihr alle, ihr seid Kinder von Gott. Ihr seid ja alle getauft. Bei der Taufe habt ihr Jesus Christus angezogen, wie ein Kleid. Mit diesem Kleid sind alle gleich! Wenn du dieses Kleid anhast, dann spielt es keine Rolle, woher du kommst, ob du frei bist oder versklavt, ob du ein Mann bist oder eine Frau, ein Mädchen oder ein Junge. Denn in Christus Jesus sind alle eins.» Quinta und Philippus schauen sich an. «Dann haben auch wir dieses Kleid an!», rufen sie stolz. Sie reissen die Tür auf und rufen den Grossen zu: «Mit diesem Kleid sind alle gleich! Wir im Fall auch!»

Diese Geschichte ist 2000 Jahre alt. Philippus und Quinta sind lateinische Namen. Paulus, der den Brief geschrieben hat, hat sogar zwei Namen: auf Lateinisch heisst er Paulus und auf Hebräisch heisst er Saulus. Paulus Saulus hat viele Briefe geschrieben und die sind wirklich nicht für Kinder. Sie sind nämlich soooo kompliziert. Nicht einmal die Erwachsenen verstehen alles davon.

Also: Vor 2000 Jahren dachten die Menschen, dass Männer besser sind als Frauen. Sie dachten, dass Menschen aus anderen Ländern weniger gut sind. Damals gab es Sklavinnen und Sklaven, die gehörten den Freien und mussten für sie arbeiten, ohne Lohn. Man dachte, dass Sklavinnen und Sklaven gar keine richtigen Menschen sind. Die Leute machten also ganz viele Unterschiede zwischen den verschiedenen Menschen. Paulus Saulus schreibt: Wenn wir getauft sind, dann spielen diese Unterschiede keine Rolle. Das ist, wie wenn alle das gleiche Kleid anhaben. Dann sehen alle gleich aus. Und niemand ist besser und niemand ist schlechter. Alle sind gleich wichtig und gleich gut.

Text: Moni Egger

jumi – Religion und Kultur für Kinder, 27.07.2021