Glockengeläut und Gebetsrufe

In allen Religionen spielt der Wechsel von Klang und Stille eine wichtige Rolle. Glocken läuten, Orgelmusik dröhnt laut durch Mark und Bein, danach wieder mäuschenstille. Die lauten Töne wecken uns auf, die Stille bringt uns zur Ruhe.

Unsere Tempel haben keine Glocken und es gibt auch keine Gebetsrufer. Bei grossen Festen sind unsere Gottesdienste, wir sagen dem Puja, aber richtig laut! Wenn der Priester eine Gottheit anruft, dann schreit er aus vollem Hals. Musikanten - Bläser und Trommler - geben danach Vollgas. Still ist es, wenn wir zuhause Puja halten.

Wir waren schon ein paar Mal mit dem Sakristan auf dem Kirchenturm und konnten die Glocken anschauen. Während die Glocken läuten, darf man aber nicht oben sein, sonst bekommt man einen Gehörschaden! Wenn an besonderen Festtagen alle Glocken läuten, hört man sie kilometerweit. Nebst dem normalen Sonntagsgeläut, das uns zum Gottesdienst ruft, gibt es noch ganz spezielle Glocken. Die Totenglocke ist kleiner und läutet, wenn jemand in unserem Dorf gestorben ist. Meine Mutter erzählte mir, dass es früher noch ein «Wetterläuten» gab, das bei grossem Gewitter und Unwetter den Bauern geholfen hat.

Unsere Synagogen haben keine Glocken. Es gibt auch keine Orgel. Aber ganz still ist es während unserem Gottesdienst nie. Alle murmeln Gebete oder schwatzen miteinander. Oft singt ein Chor schöne Lieder. Nur an besonderen Feiertagen wird es ein wenig laut: An Neujahr und an Jom Kippur, dem Versöhnungstag, wird das Schofarhorn geblasen. Das ist ein Widderhorn. Es klingt ähnlich wie eine Trompete.

Ich komme von Fes. Das ist in Marokko. Fünfmal am Tag ruft bei uns der Muezzin zum Gebet. Früher rief er nur mit seiner Stimme und damit man ihn gut hören konnte, stieg er auf das Minarett. Das ist der Turm bei der Moschee. Heute wird der Gebetsruf meistens mit Lautsprecher übertragen. In der Medina, der Altstadt von Fes, gibt es über hundert Moscheen. Wenn dann alle miteinander rufen, wird es für ein paar Minuten richtig laut. In der Moschee ist es während dem Gottesdienst aber still.